Datadriven Dreamers!

Der entscheidende Faktor beim Entscheiden ist und bleibt die Zeit. Zeit braucht es, um Informationen zu bekommen, Zeit braucht es um Informationen zu validieren und Zeit braucht es um eines herauszufinden: Gab es diese Situation schon einmal (ergo kann ich auf Erfahrung zählen), oder muss ich auf gänzlich neuen Voraussetzungen aufbauen?


Eines aber muss immer bedacht werden: Würde ich in einer Organisation komplexe Optionen nur der “Maschine” überlassen, so könnten wir gleich die Seele des Unternehmens durch einen Microchip ersetzen.


Im Kontext zur Digitalisierung treiben diese Statements ein paar Gedanken hoch. Gedanken, welche nicht den Apologeten des Datadriven-Managements in die Hand spielen, sondern den Pragmatikern:


  • Gedanke 1: Wer hat eigentlich im Rahmen dieses digitalen Gelärmes jemals darüber nachgedacht, wie Entscheidungen bei einem Menschen ablaufen

  • Gedanke 2: Wer hat darüber nachgedacht, wieviel “Energie” beim Entscheiden verbraucht wird

  • Gedanke 3: In welcher Filterblase muss man sich eigentlich befinden, wenn man glaubt, dass der Grossteil unternehmerischer Entscheide auf Basis reinster akademischer Vernunft gefällt werden

  • Gedanke 4: Nach welchen Vorgaben müsste man daher Entscheidungsunterstützungssysteme und digitale Lösungen bauen, damit die Anzahl der “klugen” Entscheidungen jene übertrifft, welche von geringerer Klugheit getragen wurden


Sieht man sich nämlich die Lösungen an, die es derzeit gibt, um Unternehmen im Rahmen eines Richtungsentscheides zu unterstützen, so erkennt man schnell folgendes: Keine dieser Lösungen hat sich mit dem auseinandergesetzt, wie und ab wann ein Mensch entscheidet.

Mehr noch: Die “Erfinder” all dieser Systeme glauben allen Ernstes, der Mensch sei zu 100% in seinem Entscheidungsverhalten logisch nachvollziehbar oder rational.

Ganz anders sehen das jene, die sich analysiert haben, was die Treiber all dieser Entscheide beim einzelnen Menschen sind:

Entscheidungspyramide1.jpg

Man merkt, viele Entscheide, also auch jener nicht zu entscheiden, fallen aus dem “Bauch” heraus, sind von Gefühlen und unbewusst ablaufenden Mechanismen getrieben, die weder von einem technischen System noch von anderen Menschen wirklich beeinflusst werden können.

Das ist auch nicht weiter schlimm, muss man doch im Rahmen des gesamten Unternehmens einfach daran denken, wieviel Energie für welche Art von Entscheid von einer Führungskraft aufgebracht werden muss.

Danach kann sogar formal festgelegt werden, welche Art von Entscheidungen zu welchem Zweck, von welchen und wie vielen Menschen, wie getroffen werden. Ich bitte den Leser hier kurz innezuhalten. Selbst mir als Blogger ist bewusst, dass der obige Gedanke schön wäre. Doch haben in vielen Unternehmen weder Zeit noch Energie wirklich gereicht, sich über das Entscheiden wirklich Gedanken zu machen. Von all denen, die denken, dass man mit Daten alleine weiterkommt, gar nicht zu denken…

Entscheidungspyramide2.jpg




Wäre ich hier am Zug so würde ich vor dem Einsatz von “digital getragenen” und damit auch “datengetriebenen“ Entscheidungsunterstützungssystemen folgende Anforderungen stellen:

  • Sie sollten mir als Entscheider Zeit verschaffen

    • Ergo datenbasiert dort entscheiden, oder Entscheide vorschlagen, wo vor allem Erfüllungsrisiken, Compliance und existenzsichernde Aspekte ein schnelles Reagieren erfordern

  • Sie sollten mir ausnahmebasiert ermöglichen, dort einzugreifen, wo Regeln aus gutem Grunde übersteuert werden müssen, ansonsten aber den Fokus auf Status, Erfüllungsgrad, Frühwarnwerte oder Performancegrossen aufzeigen

  • Sie sollten mir dort, wo es um Abstimmungsbedarf, um scheinbare oder echte Standardsituationen geht, Kontext, Ursache, Wirkung und mögliche Optionen aufzeigen, damit ein abgesicherter Entscheid erleichtert wird

  • Für Entscheide mit hohem analytischen Aufwand, soll die Entscheidungsunterstützung vor allem im Sinne eines Lagebildes, eines Überblicks und einer Entscheidungsgrundlage fungieren, wissend, dass daraus Szenarien und Optionen abgeleitet werden, welche erste Schritte, Handlungsfelder und ein “Einnorden” der gesamten Organisation ermöglichen.

Unter dem Strich sollen also die digitalen Hilfsmittel des Entscheidens folgendes bewirken:

  • Das emotionelle und unbewusste Rauschen im Menschen vor dem Entscheid so weit runterdimmen, wie möglich

  • Existenzsicherndes und Standardmässiges so weit mit Daten und Regeln unterstützen, dass bei allen Entscheidern und Umsetzern Energie gespart und Erfüllungsrisiken minimiert sind (ergo auch der Faktor Stress nicht zu schnell zum Zuge kommt)

  • Den Informationsfluss vereinfachen und so abgestellt sein, dass die Art der Informationsdarstellung beim Entscheider dass

    • Beobachten und Validieren

    • Auswerten

    • Abstimmen und Entscheiden

    • Wirkungskontrolle nach dem Entscheid

  • mit möglichst wenig Erklärungs- und Analyseaufwand möglich sind


Ein Schelm, der hier denkt, dass man den Entscheidern hier das Heft aus der Hand nähme. Im Gegenteil: Dieser Ansatz spart Energie, er spart Zeit und er ermöglicht das Abdecken dessen, was ich Systemblindheit nenne.

Sehen Experten, Experten- und Entscheidungssysteme, so denken und implementieren sie wie Experten.

Damit wirkt aber nur die auf die Experten beschränkte Logik, aber kaum die Wirklichkeit, die Emotionen, die Belastung und den Unmut derer, die dann nach den Regeln der Experten das Ausbaden müssen, weil sie rational nachvollziehbar in ihrer Menschlichkeit verbogen wurden.

Genau hier sehe ich persönlich auch immer die Gefahr im Umgang mit den Gurus der datadriven Management-Gilde. Je länger man sich in der Illusion befindet, dass man mit Daten alles besser machen kann, desto weniger wird einem klar, wie vergänglich doch Daten sind, wenn es darum geht, mit Ihnen Entscheide zu treffen.

In diesem Sinne müsste ich sagen: Daten bedeuten Macht, aber sie machen nichts, wenn man mit ihnen nichts macht…

Nächster Blog: Führen im digitalen Zeitalter- was die Realität fordert und was man uns glauben machen will…

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Getting Things Done, D-Wort und Agilität

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Entscheiden 4.0 oder die Grenzen des Datadriven Management