Die fehlende Variable in der Gleichung
In der Managementwelt steht ein Umbruch an, der in der akademischen Welt schon seit dem Beginn 2008 ein ständiges Thema war. Der Wechsel von rein effizenzgetriebener Führung hin zu resilienz-basierten Führung. Je mehr und je öfter es in den letzten Jahren zu Umbrüchen, Unterbrüchen und Einbrüchen im Unternehmensumfeld gekommen ist, desto mehr rückte dieses Thema auf die Titelblätter honoriger Gazetten wie die der Harvard Business Review, des Handelsblatts oder diverser Managementmagazine.
Bemerkenswert sind allerdings die Rezepte, mit denen just jetzt jene Resilienz erreicht werden soll, die man eigentlich schon längst haben sollte.
Mehr Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit, mehr Agilität wird hier eingefordert. Oder der Einsatz von alternativen Technologien, Methoden. Bisweilen wird auch die Prüfung und Absicherung von Supply Chains, Service-Valuechains und das integrierte Risikomanagement vorgeschlagen. Das mag alles gut und rechtens sein, aber was sag ich einem ertrinkenden. Sicher nicht, dass es an der Zeit ist schwimmen zu lernen?
ich selbst als Autor dieses Blogs gerate hier in einen Gewissenskonflikt. Erstens war und bin ich noch fallweise in beratender Rolle unterwegs (müsste also mit den Wölfen heulen), aber zweitens, bin ich wie viele andere eben auch Verantwortungsträger und als solcher maßgeblich daran beteiligt, wie resilient am Ende einer Entscheidung mein Verantwortungsbereich geblieben ist oder eben auch nicht.
Also muss ich genauso wie meine Kunden entscheiden und entscheidungsfähig sein!
Dopch dieser Punkt kommt in vielen Ansätzen zur Krisenbewältigung einfach nicht zur Geltung.
Gehen wir dieser Problemstellung nun auf den Grund: Resilienz ist die Fähigkeit, unvorhergesehenes so abzufedern, dass am Ende die betroffene Entität mit geringstmöglicher Beeinträchtigung ihrem Daseinszweck weiter nachgehen kann.
Dieses “unvorhergesehene” bedingt aber , dass irgendjemand oder irgendetwas die Signale drohenden Ungemachs erkennt, weiterleitet, die entsprechenden Entscheidungsmechanismen und Instanzen früh genug handeln, die Umsetzung situationsgerecht und zeitnah erfolgt und letztendlich die beabsichtige Wirkung (Beeinträchtigungsminderung) eintritt.
Das bedeutet im Grunde, dass derzeit die Beratungsszene etwas empfiehlt, was schon längst vorhanden sein müsste, die Rolle des Entscheiders nicht berücksichtigt hat und mit dem Aufbau von Agilität, flexiblen Strukturen und Risikomanagement vielleicht das nachholt, was man “Hausaufgaben” nennen kann.
Die Lösung des unmittelbaren Problems, wie man den Entscheidern im hier und jetzt hilft, um die schon bestehende Resilienz eines Unternehmens nicht noch weiter zu strapazieren und für allfällige Zukunftsszenarien gerüstet zu sein, bleibt außen vor.
Wie schon im letzten Blog skizziert handeln pragmatisch gepolte Entscheider so, dass dass dringlichste und gefährlichste mit den vorhandenen Ressourcen zuerst bewältigt wird und danach alles andere bei laufender Lagebeurteilung so lange abgearbeitet wird, bis wieder der “Normalmodus” erreicht ist.
Was also an der Gleichung fehlt sind drei Faktoren:
Der Entscheid mit den verbundenen Parametern (Reaktionszeit, Lösungszeit, Wirkung im Ziel)
Die entscheidenden Resilienzfaktoren, auf die der Entscheider zählen kann (Informationsqualität und Fluss, Anpassungsfähigkeit an die Situation, Flexibiliät der zur Verfügung stehenden Ressourcen und Strukturen)
Die Entscheidungsmethoden und Führungsmedien (Reports, Dashboards, direkte Mitarbeitergespräche, Entscheidungsmatrizen, Führungshilfsmittel etc.)
Was mich zu einer dramatischen These bringt: Wenn unsere Führungskräfte so führen und entscheiden müssten, wie es derzeit in so manchem Beraterbeitrag, Whitepaper oder Vortrag propagiert wird, dann gute Nacht. Ein “Hoch” auf all jene, die beratungsresistent geblieben sind. Sie entschuldigen bitte den hier gesetzten sarkastischen Unterton….
Konzentrieren wir uns die Mechanismen, die im Falle eines Krisenereignisses normalerweise eingesetzt werden (meist nicht trainiert oder bewusst, aber eben feststellbar):
Für Führungskräfte ist es von eminenter Bedeutung frühzeitig zu erkennen, wo es zu Anpassungen kommen muss und noch wichtiger nachverfolgen zu können, wo und mit welcher Wirkung welche Entscheidung umgesetzt wurde.
Daher werden krisen- und überraschungsaffine Leader peinlichst genau darauf achten, dass Sie die Übersicht behalten und zeitnah wissen, wie es um folgende Faktoren steht
Informationsfluss (Unterbruch, Verzögerung, etc.)
interne Abläufe (Unterbruchsrisiko)
Träger und Trägertechnologien (Ausfall, Unterbruch, etc.)
Lieferanten und Lieferleistung
Qualifikations- und Einsatzspektrum der Mitarbeiter (Ausfall, Neueinsatz, fehlendes Wissen etc.)
Erst ab dem Zeitpunkt, wo also Entscheider die Instrumente haben, um nach den Regeln der Resilienzmaxime entscheiden zu können (bis jetzt galt ja die Effizienzmaxime), ist auch ein gezieltes Aufbauen von “resilienten Fähigkeiten” erfolgversprechend.
Nach welchen Schritten selbiges erfolgen kann, zeigt der noch folgende Blog…